Kategorie-Archiv: Rezensionen

MARTIN AX – Einführung zur Ausstellung Andrzej Jan Piwarski – Kunstverein Rhaden 1994

…Raumwirkung erreicht Piwarski zunächst einmal durch die Tiefe der Farbe und die Oberflächenstruktur des Materials, durch deren Reliefcharakter, der das Bild aus der Fläche heraustreten und zu einem dreidimensionalen Objekt werden lässt. Raum ist nicht mehr das Ergebnis einer Perspektivkonstruktion, die unserem räumlichen Seh- und Vorstellungsvermögen Rechnung trägt. Raum wird nicht als Raumillusion hervorgebracht, sonder als Überlagerung / Schichtung. Raum also nicht mehr als Abfolge verschiedener Bildebenen, sondern als deren Simultanität: Kein Vorn-Hinten / Oben-Unten…
MARTIN AX – Einführung zur Ausstellung Andrzej Jan Piwarski – Kunstverein Rhaden 1994

TADEUSZ PIASKOWSKI – /Direktor des Nationalmuseums in Danzig/ aus dem Katalog “Andrzej Jan Piwarski – Nationalmuseum Danzig 1994”.

…Mit den Werken von Barbara Ur und Andrzej Piwarski bin ich relativ spät konfrontiert worden. Es war im Januar 1978 in Frombork (Frauenburg). Dieses Ereignis hat in meinem Gedächtnis tiefe Spuren hinterlassen. In der wunderschönen Szenerie des wie im Winterschlaf versunkenem, in dicken Schnee eingehüllten Kathedralehügels, in allumfassendem Weiß kontrastierten die märchenhaft bunten Bilder, aufgehängt im gotisch-barocken Bischofspalast. Der Anblick war atemberaubend. Man hatte das Gefühl der Teilnahme an einem eigenartigen Mysterium, in dem die reale Welt sich fast auf ideale Weise mit der imaginären Welt der hochbegabten Künstler vereint…
TADEUSZ PIASKOWSKI – /Direktor des Nationalmuseums in Danzig/ aus dem Katalog “Andrzej Jan Piwarski – Nationalmuseum Danzig 1994”.

MARGARETHE LAVIER – aus dem Katalog ” ANDRZEJ JAN PIWARSKI – Nationalmuseum Danzig – Polen 1994

…Der Künstler Andrzej Jan Piwarski setzt sich in den letzten Jahren stark mit rein malerischen Problematiken auseinender: die Komposition, die Farbe, die Struktur, die Fläche und die Tiefe. Gegenständliche Darstellung ist seit 1991 selten Thema seines Schaffens. In seiner Auseinandersetzung mit der Malerei hat er sich befreit. Die Freiheit kommt unter anderem aus seinem Wissen, dass die grundlegenden malerischen Probleme von anderen Künstlern der Vergangenheit und Gegenwart aufgezeigt, thematisiert und gelöst wurden: von der Problematik realitätsnaher Darstellung bis zur weitestgehenden Minimierung – wo am ende nur ein rahmen bleibt, und das Bild im Kopf des Betrachters entsteht.
Erst die Loslösung vom Anspruch, fundamental Neues entdecken zu müssen, gibt ihm die Freiheit zur eigenen Expressivität. Dies ermöglicht ihm sowohl die Explosion von Farbe zu inszenieren, wie ein Zurücknehmen der malerischen Mittel bis hin zur subtilsten Feinheit: feine Risse, den Hauch einer Linie, die Spur einer Farbe. Er akzeptiert die Farbe als Materie und nimmt sie in ihrer Substanz, formt und verformt sie auf der Leinwand. Die Farbe ist Stoff, ist Substanz, nicht Mittel zur Darstellung.
Andrzej Jan Piwarski hat seine eigene Künstlerische Sprache gefunden, mit seinen malerischen Mitteln, Wesentliches auszudrücken. Die Bilder entstehen in Korrespondenz zum Gefühl – beim Maler und Betrachter. In seiner Bildersprache sind Gegensätze lebendig: Material und Entmaterialisierung, Vergeistigung von Inhalten, Transzendenz und Konkretisierung…
MARGARETHE LAVIER – aus dem Katalog ” ANDRZEJ JAN PIWARSKI – Nationalmuseum Danzig – Polen 1994

ORTWIN GOERTZ – “Zeitspuren” aus dem Katalog ” ANDRZEJ JAN PIWARSKI -Nationalmuseum Danzig – Polen 1994

…A.J.Piwarski befasst sich in seinen Bildern mit der Empfindungswelt des modernen Menschen, mit seinen Zivilisationsproblemen in einer technologisch geprägte Stadtlandschaft, die als Symbol für Fortschritt und gesellschaftliche Gefährdung gleichermaßen angesehen wird.
A.J.Piwarski versucht hier offensichtlich Dinge und Figuren bildlich im Rohzustand festzuhalten und ihren die gleiche Stofflichkeit zu geben wie der Materie selbst, aus der heraus er sie schält und in welche er Spuren ihrer Existenz hineinkratzt.
Die bevorzugten Stoffe sind Sand, Marmormehl und Kohlenstaub, mit denen er vermischt mit Farben und anderen Bindemitteln Spuren seiner Erlebnisse und Erfahrungen festhält. Das Bild wird somit zu einem Materialrelief und zu einer Topographie aus Spuren, Zeichen, Symbolen und Figurationen. Es ist hilfreich, diese Gemälde wie Suchbilder zu behandeln, denn sie sind von Spuren durchzogen, die erst gesichert werden müssen.
Assoziativ erinnern seine Ritzlinien und dumpfbrütenden Spuren an die prähistorischen Stätten von Altamira in Nordspanien, in denen die Menschen der Vorzeit ebenso ihre Ängste. Wünsche und Hoffnungen mit dem Zauber und der magischen Kraft elementarer Farb-und Liniensysteme verbanden. Aber auch an die abbröckeln den Oberflächen alter verstauber Hauswände spanischer Dörfer und Städte in die es Andrzej J. Piwarski immer wieder hinzieht, erinnern viele seine Werke. Rissige Mauern mit abblätterndem Putz, die wie Landkarte der Geschichte ihrer Bewohner anmuten.
Die Sicherheit der Hand, die die Leinwand nunmehr durchmalt, überträgt sich direkt und unvermittelt auf die Struktur des Bildes, da die Übermalung unwiederholbar und korrigiert wird. Die Farben sind düster zurückhaltend, mitunter kalkig weiß und grell, oft auch optimistisch monochrom blau. Sie umfassen im Wesentlichen die Farbskalen der Erde in der unterschiedlichsten Konsistenz: vom kräftigen Ocker bis Braun, bis Dunkelrot, in der er Spuren und Zeichen der irdischen zeit setzt. Dabei vermeidet er jede vordergründige expressive Emotion, wie sie beispielhaft die Künstler des “action painting” hinterließen. Vielmehr widmet er sich gezielt und bewusst monochromer Farbspuren, um seine Intention Zeitspuren eindeutig zu kennzeichnen.

Dabei reduziert Piwarski seine Malerei auf bewusst schwer definierbarer und irrationaler Ebene, ohne die realistischen Zeitspuren zu verdecken. Und dennoch sich die dinge, bzw. Zeichen imstande, eine Vision vergangener und künftiger Perspektiven brennpunktartig zusammenzufassen. Sie greifen unmittelbar die Existenz und das Denken des Menschen an. Es gilt für ihn, die Malerei wiederum zu ihrem recht zu verhelfen, ihr die Poesie, Sinnlichkeit und Phantasie, ihren Mythos und ihre Anschaulichkeit zurückzugeben. Dieser Ansturm wird mit größter Spontaneität und Leidenschaft auf die Bildfläche oder theoretisch langatmig vorbereitet.
Zeitspuren als Subkultur, Erlebnisse, magischer, kindhafter oder banaler persönlichere und lokaler Herkunft überfluten die Sinne des Betrachters, Instinkt, Vitalität und Imagination, rasches Zupacken und unverhüllte Drastik, Zitate aus Bildern jetmöglicher Expression werden wichtiger als Komposition, Klarheit der Form und perfekte handwerkliche Ausführung. Die Fülle des realen Lebens steht erneut zur Debatte, nicht puristische, abgeklärte Gedankenspiele.
Für ihn ist gewissermaßen die “Zeichenspur” schöner, bedeutender als die Wiedergabe der unmittelbaren Realität. In seinen Werken bewegen sich nun mehr die Linien und Flächen wie Gespinste und Rinnsale in einem Perspektiv – und schwerelosen Raum.
Auch die explosionshart zerfahren den Eindruck des seismographisch niedergeschriebenen Dialogs des Künstlers mit seinem Schicksal, das sich zwischen Leid, Verzweiflung, Depression, Freude und Hoffnung bewegte.
Piwarski malt nunmehr keine vom Intellekt gesteuerten zielbewussten Inhalte mehr, sonder das wie eine offene Wunde bloßliegende Drama des Lebens, dessen realen Anschauungen verblassen, von dem lediglich Spuren Rudimentär Auskunft geben. So betitelt er seine Werke heute mit: “Spuren des Menschen”, “Zeitspuren”, “Spuren des Daseins” und “Ich bin – I am”.
In zunehmender Verselbständigung der Farbe entwickelt Piwarski einen Malstil mit stark in den Raum ausgreifenden Strukturen, die ohne lineare Betonung auskommt. Nicht die spontane Geste dominiert hier, sonder den gleichsam in wuchtigen Farbbändern durchlaufende Feldbereich, dessen Farbmasse in starker, reliefartiger Spachtelung aufgetragen ist.
.Die Verdichtung, der sich überlagernden Farbschichten entfaltet sich in einem Perspektiv – und grenzenlosen Raum, in dem die motorischen Kräfte und Empfindungsströme des Künstlers nicht mehr kontrollierbare Spuren hinterlassen haben.
Es gibt im Bild eigentlich ein gesichertes Oben und Unten, noch ein Vorne und Hinten. Jede Arbeit ist gleichsam ein Ausschnitt aus dem unendlichen Kosmos, dessen chaotische Formvielfalt nun eine bisher nie gesehene Vitalität angenommen hat.
Schwere graphische Bänder bannen wie in Ketten die vulkanisch aufbrechende Farbschichten, unter deren Oberfläche sich das Drama der Welt und der Urschöpfung abspielt. Geformtes und Ungestaltetes, Farbe und Kalligraphie gehen in jedem Bild eine Spannungsreiche Konfliktsituation ein. Um diesen Konflikt zu lösen, muss man in die Bilder Andrzej J. Piwarski eintreten, in denen er die Unterschiede zwischen Kunst und Leben aufzuheben versucht. Nur so ist der Augenblick vermittelbar, wo die Leinwand wie eine Arena erscheint, auf den Künstler einen tatsächlichen oder vermeintlichen Gegenstand wiedergibt, wiederschafft, untersucht und ausdrückt…
ORTWIN GOERTZ – “Zeitspuren” aus dem Katalog ” ANDRZEJ JAN PIWARSKI -Nationalmuseum Danzig – Polen 1994

SWANTJE KOERNER – “Westdeutsche Zeitung Nr.56 – 8.03.1993”

…Die Chiffren Piwarskis sind erfreulicherweise keine der überanstrengten üblichen Symbole; das umkringelte “A” als emphatischer Ausruf seiner ganz privaten Anarchie nimmt man gerne hin, weil das Chaos im Bild, das den Erinnerungen eines Lebens nachspürt, so spannungsvoll herüberkommt. Sonst ließen sich die acht Themenkreise, von denen der “I am” genannte die kaum objektivierbare Bildwelt am ehesten trifft, wohl kaum vermitteln. Farbauswahl und Farbbehandlung sind eigenwillig: Die Farbe wird explosionsartig versprüht, graffitiartig gekratzt, unter Einstreuung feinkörnigen Marmorsandes reliefartig erhöht. Sie wirkt auch noch in der Kontrastierung von kalkig weißen mit grauen Tonwerten ausdrucksstark.
SWANTJE KOERNER – “Westdeutsche Zeitung Nr.56 – 8.03.1993”

CHRISTINE WICHO aus dem Katalog: Andrzej Jan Piwarski – Zeitspuren – Oberschlesisches Landesmuseum – Ratingen 1993

…A.J.Piwarski ist einer der bemerkenswertesten und ungewöhnlichsten Maler der Gegenwart. Er repräsentiert nicht nur die Position eines “stets – Hinterfragenden”, sondern auch die des “immerwährend – Beobachtenden”.
Objekt und Subjekt zugleich sind ihm Psychogramme eines übergeordneten Ichs, Konstatierungen von Zuständen, Erinnerungen, Erregungssituationen und seelischen Kontrasterscheinungen. Er vermag sie zu erfassen, zu erfassen mit seismographisch anmutender Präzision, und hinzuwerfen mit einer von Farben gewissermaßen unabhängigen Expressivität, die selbst in Schwarz-Weiß-Grau-Werten ihre Wirkung nicht einbüßt, ja eine unbedingte Eigenwirkung entwickelt, die nur diesen Tönen zueigen sein kann.
Raum, Räumlichkeit und Zeit, eng miteinander verknüpfte Elemente von Empfindungsebenen haben in A.J.Piwarskis Bildern die rolle einer zentralen und immer wieder angegangenen Problematik. Seine Raumdimensionen sind nicht immer evident, doch nach eindringlicher Betrachtung werden sie sichtbar, spürbar, erfahrbar, der Rezipient setzt sich mit ihnen auseinander – und zwar nahezu intuitiv, ohne logische Folgerichtigkeit.
Denn, so real die Farben auch gesetzt sind, für den Betrachter bleibt ihre Raumwirkung in Verbindung mit den hieroglyphenartig gesetzten Farbzeichen, Strichen, Zahlen, Ziffern, Satz- und Wortrelikten ein Hauptfaszinosum.
Die Farbe wird sowohl in ihrer Substanz als auch im Sinne von Ausdruckswerten und ihrer näheren Bestimmung eingesetzt. Versprüht, geschabt, gespachtelt oder mit vehementen, temperamentgeladenen Zügen aufgetragen, wirkt sie in ihrer Materialgebundenheit lebendig. Eine besondere Plastizität wird herbeigeführt durch die Verwendung von Marmorsand. Die Farbe erhält in Verbindung mit ihm eine fein-körnige Substanz, der eine reliefanmutende Wirkung immanent ist…
CHRISTINE WICHO aus dem Katalog: Andrzej Jan Piwarski – Zeitspuren – Oberschlesisches Landesmuseum – Ratingen 1993

STEFAN RASCHE – “Westfalenpost Nr.110 – 11.05.1992”

…Dabei lassen die einzelnen Werkstationen der umfangreichen Einzelausstellung einen konsequenten Stilwandel erkennen, der zu eigenständigen Positionen führt. Stehen am Anfang seiner Entwicklung farbintensive Stadt- und Landschaftsbilder, so befasste sich Piwarski dann lange Zeit mit menschlichen Figuren, die er als vage Silhouetten aus der dichten Farbsubstanz hervortreten ließ.
Den Schritt zur gegenstandslosen Malerei vollziehen schließlich seine jüngsten Großformate, die aus dunklen, bedrohlichen Tönen und statischen Formen entstehen. Ganz der abstrakten Komposition verpflichtet, hat Piwarski die konkreten Motive seiner Umwelt hinter sich gelassen, um stattdessen Zahlen, Buchstaben und geschriebene Wörter in die geometrischen Flächenraster zu integrieren. Nicht als Bedeutungsträger, sonder als freies Baumaterial verwendet und nutzt er heute Schrift und Sprache wie früher die Mauern und Wände seiner Städtebilder.
Dass ihm der schrittweise Werdegang zu großen Erfolgen verhaft, belegt seine umfangreiche Künstler-Biographie…
STEFAN RASCHE – “Westfalenpost Nr.110 – 11.05.1992”

RICH AUDRY – “Tageblatt 16.04.1991” – Luxemburg

…Andrzej Jan Piwarski va dans une autre direction. Il se consacre à une pratique qui cherche à échapper aux signes. La peinture qu’il exerce veut être libre de toutes références. Dans sa peinture, il va plus loin que le sujet, aborde le milieu à quatre dimensions et pénètre dans ce qui est l’espace/temps et son au-delà : l’infini. Il essaie ainsi de garder, de retenir et d’enfermer la m`moire fugitive. Il structure et présente une géographie de souvenirs qu’il éclabousse des gerbes d’éruptions solaires.
Si le portrait occupe une place prépondérante dans l’œuvre d’Andrzej Jan Piwarski, le thème du temps et des formes végétales retient aussi son attention. Il en résulte des travaux singuliers auxquels on ne peut attribuer le qualificatif de natures mortes, des travaux où la sensualité domine.
Un grand savoir-faire et une écriture vive et alerte fondent ainsi en une même unité champs longiformes et motifs de toutes sortes. Il faut ajouter à cela une pâte colorée grasse et de larges débordements structurels qui ne sont autre chose qu’une prise de possession de l’espace et un moyen de renforcer la composition en la débarrassant quelque peu de ses limites.
RICH AUDRY – “Tageblatt 16.04.1991” – Luxemburg

Dr.BALDUR HERMANS aus dem Katalog “Andrzej Jan Piwarski-Ruhrlandhalle – BOCHUM 1991”

…Was macht es so faszinierend, sich auf das malerische Werk Andrzej Piwarskis einzulassen? Einmal sein virtuoses Können. Davon zeugen Malereien on Öl durch alle Schaffensperioden, Acrylbilder der 80er und 90er Jahre bis hin zu Pastellen und Aquarellen, die in jüngerer Zeit entstanden sind und in ihrer farblichen Intensität oder lichten Transparenz die Lebensbezüge und Schaffensorte des Künstlers widerspiegeln. Andrzej Piwarski ist aber auch ein sensibler Porträtist von Weggefährten und Zeitgenossen. Er deutet vielschichtig und akzentuiert zugleich Charakter und Ausstrahlung der von ihm Porträtierten. Dies gilt sowohl von Menschen im gereiften Alter wie von Kinder und Jugendlichen. Einen besonderen Stellenwert nehmen im Schaffen Piwarskis die Landschaftsbilder ein. Das sind aber keine Idylle. Piwarski verfolgt den Eingriff des Menschen in die Landschaft. Er macht es deutlich, indem er die künstliche und vom Menschen vergewaltigte Landschaft thematisiert, in der der Mensch, nicht weniger “entfremdet”, mit sichtbar wird. Durch Werbung und Touristik bekommen wir, so Piwarski, Landschaft ” in Pillen” verabreicht, “zur Ablenkung und als Sedativum. So wird Landschaft mit und auf der Werbetafel unsere Wirklichkeit. Der Baum wird zur reinen Erinnerung”.
Andrzej Piwarski lebt und leidet mit der geschundenen Unwelt und Natur. Im Mittelpunkt steht für ihn aber der Mensch. Und hier liegt die große Bedeutung auch der in der Solidarnosc-Zeit entstandenen Bilder: Sie sind Aufschrei nach Gerechtigkeit und Freiheit, manifestiert in hintergründigen und direkt sprechenden Symbolen: ein Kopfsteinpflaster mit alltäglichen Abfällen – Spuren des Menschen, dazwischen rote Flecken – Spuren von Gewalt von Menschen am Menschen. Dazwischen Pfeile, die hinausweisen: Hinweise, dass nicht die Gewalt der Straße von ideologischem und praktischem Totalitarismus befreit. Piwarski: “Es muss anders gehen. Solidarischer Kampf ist kreativ, findet andere Wege”. Piwarski hat viele Symbol-Bilder von leidenden und hoffenden Menschen selber zu zeigen. Aber er hat auch den Menschen immer wieder direkt dargestellt, den Einzelnen in der Hasse, der seine individuelle Sendung hat und zugleich in der solidarischen Pflicht für alle steht: gegen “die Masse der Klasse”…
Dr.BALDUR HERMANS aus dem Katalog “Andrzej Jan Piwarski-Ruhrlandhalle – BOCHUM 1991”

OLIVIA SCHOTT aus dem Katalog “Andrzej Jan Piwarski – Museum der Geschichte der Stadt Gdansk -1990”

Mit Hilfe von Farbe, Pinsel und Strukturen findet A.Piwarski einen Darstellungsmodus, der Idee vom Ausdruck der Persönlichkeit gerecht werden kann. Ausdrucksmittel ist die Pinselsprache, deren Duktus sich in fast allen Bildern Piwarskis als lebendiges Zeichen wiederfinden lässt. Über den Dialog von Künstler und Modell finden wir in diesen Porträts den Eindruck als Ausdruck, Seele und Temperament als Ausdruck gestaltet. Eine solche Form der psychologisierenden Wahrnehmung, setzt das jeweils subjektiv Wahrgenommene voraus und bekennt sich zur subjektiv Weltsicht, do wir als Individuen die Welt nicht objektiv wahrnehmen können. Sie versucht zum Kern der Dinge vorzustoßen und verneint eine scheinbar objektive Darstellung, wie sie in einer naturalistischen Verfahrensweise angelegt ist.
Das Porträt steht für die Eigenart, die Eigenschaften der dargestellten Person muss aber im Betrachtungsprozess erschlossen werden und verweist über die subjektive Wiedererkennbarkeit hinaus auf die Wahrnehmungsformen und -möglichkeiten von Menschen. Zur inhaltlichen Schichtung treten die Schichtungsräume der Farben, Strukturen und Materialien im Bild. Die umgebende Räumlichkeit, der Kontext wird bewusst vage gehalten. In “Ausgrabungen” und ähnlichen Porträts ist der Bildausschnitt so nah gewählt, dass das Zentrum des Gesichtes formatfüllend ist. Räumlichkeit ergibt sich durch die Farbschichtung im Gesicht selbst. So führen bei “Ausgrabungen” die Augen in die Tiefe, ins innere; dieselben Augen, die den Betrachter intensiv ansehen und gleichsam zum Schauen auffordern. Inneres und Äußeres spiegeln sich gegenseitig unter Einbeziehung des Betrachters. Ein anderes Element der “Grabung” tritt in diesem u.ä. Bildern durch die Einbeziehung des Materials Sand hinzu. Sandstrukturen sind in diesen Bildern so gesetzt, dass sie als eine weitere Farbe hinzutreten können. Gleichzeitig stellen sie aber auch ein räumlich-plastisch gliederndes Element dar, das bisweilen übermalt ist.
OLIVIA SCHOTT aus dem Katalog “Andrzej Jan Piwarski – Museum der Geschichte der Stadt Gdansk -1990”